Rainkohl (Lapsana communis)

Rezept für Linguine Lapsagnese

Der Rain­kohl (Lap­sa­na com­mu­nis) ist aus der Fa­mi­lie der Korb­blüt­ler (As­te­ra­ce­ae) und da­mit bo­ta­nisch gar kein Kohl (Bras­si­ca), denn letz­te­rer bil­det die Ty­pus­gat­tung der Fa­mi­lie der Kreuz­blüt­ler (Bras­si­ca­ce­ae). Sei­nen Na­men hat er in frü­he­ren Zei­ten er­hal­ten, als man um­gangs­sprach­lich al­le ess­ba­ren Blatt­pflan­zen als Kohl be­zeich­ne­te. Dies merkt man auch am Ge­schmack, denn wäh­rend die Kreuz­blüt­ler durch die in ih­nen ent­hal­te­nen Senf­öl­gly­ko­si­de ei­ne mehr oder we­ni­ger aus­ge­präg­te schar­fe No­te ha­ben, deut­lich zu spü­ren in Senf, Ret­tich, Kres­se und Rau­ke aber auch leicht im Kohl, so ste­hen bei den Korb­blüt­lern die Bit­ter­stof­fe im Vor­der­grund. In ei­ni­gen Kul­tur­pflan­zen die­ser Fa­mi­lie wie Chi­co­rée, En­di­vie, Ar­ti­schoc­ke und Ra­dic­chio schmeckt man die­se noch leicht, doch den meis­ten an­ge­bau­ten Ver­tre­tern wie Kopf­sa­lat, Eis­berg­sa­lat oder Eich­blatt­sa­lat sind sie weit­ge­hend weg­ge­züch­tet. Wer die­se Sa­late im Gar­ten an­baut merkt dies auch da­ran, dass sie bei Schnec­ken äu­ßert beliebt sind, wäh­rend die wil­den Korb­blüt­ler von ih­nen ver­schmäht wer­den.

Doch was in der Na­tur ei­ner­seits als Fraß­schutz dient, ist an­de­rer­seits für un­se­re Er­näh­rung enorm wich­tig. Bit­ter­stof­fe re­gen die Ver­dau­ung an, ins­be­son­de­re Le­ber und Gal­le wer­den von ih­nen an­ge­regt und ent­gif­tet, auch tra­gen sie zur Ent­säue­rung des Kör­pers bei [1]. Nicht um­sonst schät­zen vie­le ei­nen Es­pres­so oder Ama­ro nach dem Es­sen. Doch vor al­lem stop­pen sie Heiß­hun­ger­at­tac­ken und sind des­halb bei der all­ge­mei­nen Über­ver­sor­gung mit Ka­lo­ri­en wah­re Wun­der­mit­tel im Kampf auch ge­gen Gür­tel­schnec­ken. Ei­ne Ta­fel Voll­milch­scho­ko­la­de ist schnell ver­putzt, hin­ge­gen reicht ein Stück dunk­le Scho­ko­la­de, den Ap­pe­tit auf Sü­ßes zu be­frie­di­gen. Auch lang­fris­tig sinkt der Ap­pe­tit auf Zuc­ker, wenn man re­gel­mä­ßig Bit­ter­stof­fe zu sich nimmt.

Durch die Ge­wöh­nung an Nähr­mit­tel (als "Le­bens"-mit­tel sind sie nicht mehr zu be­zeich­nen), die von der Nah­rungs­mit­tel­in­dus­trie von Bit­ter­stof­fen weit­ge­hend be­freit wur­den, müs­sen wir uns an die­se oft­mals erst wie­der ge­wöh­nen, be­vor sich uns de­ren Wohl­ge­schmack er­schließt. Da­bei soll­te man es zu­nächst nicht über­trei­ben, sonst vergeht der Spaß schnell. Ein Sa­lat nur aus Lö­wen­zahn wird auch vom hart­ge­sot­tens­ten Über­le­bens­künst­ler nur be­dingt als wohl­schmec­kend emp­fun­den. Doch auch beim Ita­lie­ner um die Ec­ke fin­det sich Ra­dic­chio im In­sa­la­ta mis­ta und was spricht da­ge­gen, die­sen durch wil­den Lö­wen­zahn oder eben Rain­kohl zu er­set­zen? Stei­gern Sie lang­sam die Men­ge an wil­den Korb­blüt­lern in Ih­rer Nah­rung und Sie wer­den bald mer­ken, wie sie Ih­nen im­mer bes­ser schmec­ken.

[1] https://www.zentrum-der-gesundheit.de/ernaehrung/lebensmittel/inhaltsstoffe/bitterstoffe

 

Re­zept für Lin­gui­ne Lap­sag­ne­se:

Zu­ta­ten für vier Per­so­nen

  • 80 g große Sten­geln vom Wie­sen­bä­ren­klau (WBK)
  • 30 g junge Blät­ter vom WBK
  • 30 g Blät­ter vom Rain­kohl
  • Je eine Hand­voll Wal- und Ha­sel­nüs­se
  • Oli­ven­öl
  • 2 Zwie­beln
  • 1 Möhr­chen
  • 200 g Sel­le­rie­knol­le
  • 1 Tasse ein­ge­koch­tes Ha­ge­but­ten­mark oder 4 gro­ße To­ma­ten
  • Knob­lauch al gus­to
  • 2 Tee­löf­fel gan­zer Schwar­zer Pfef­fer
  • Grau­bur­gun­der oder - wer’s ita­lie­ni­scher mag - Pi­not Gri­gio, der aus der glei­chen Trau­be ge­kel­tert wird
  • Lin­gui­ne, Ba­vet­te oder Tag­lia­tel­le
  • Gra­na Pa­da­no, Par­mi­gia­no Reg­gia­no oder ve­ga­ner "Par­me­san"

Die Blät­ter des WBK wer­den von den Stie­len ge­trennt, die Stie­le von Fä­den be­freit (wie beim Stan­gen­sel­le­rie)  und in dün­ne Stüc­ke ge­schnit­ten. Zwie­beln, Möhr­chen und Sel­le­rie wer­den in klei­ne Stüc­ke ge­schnit­ten und zu­sam­men mit den zer­schnit­te­nen Stie­len des WBK und etwas Oli­ven­öl in ei­nem Brä­ter im Ofen bei 170 ° C Um­luft so lan­ge ge­gart und da­bei öf­ter ge­wen­det, bis al­les gut ge­bräunt ist. Hier­bei ist es wichtig, den rich­ti­gen Zeit­punkt des Ga­rens ab­zu­pas­sen. Der Zuc­ker im Ge­müs­e wird durch die Hit­ze lang­sam in Ca­ra­mell um­ge­wan­delt und gibt dem Ge­mü­se zu­sam­men mit der Mail­lard-Re­ak­ti­on ei­ne un­nach­ahm­li­che No­te. Doch nur ein we­nig zu lan­ge ge­bac­ken, ver­brennt das Ca­ra­mell und wird un­an­ge­nehm bit­ter. Man soll­te al­so, so­bald das Ge­mü­se an­fängt zu bräu­nen, al­le paar Mi­nu­ten kos­ten.

Die Nüs­se wer­den grob ge­hackt und in ei­ner Pfan­ne oh­ne Öl lang­sam ge­bräunt, dann her­aus­ge­nom­men und bei­sei­te­ge­stellt.

Nun wer­den die Blät­ter des WBK und des Rain­kohls mit­tel­fein zer­schnit­ten. Der Pfef­fer wird grob ge­sto­ßen. In der glei­chen Pfan­ne, in wel­cher die Nüs­se ge­rös­tet wor­den sind, wird nun der Pfef­fer mit Oli­ven­öl ca. 5 min. lang bei mitt­le­rer Hit­ze ge­rös­tet. Hier­durch ver­liert er et­was an Schär­fe, sein Aro­ma wird aber noch in­ten­si­ver und be­kommt ei­ne aus­ge­prägt hol­zi­ge No­te, ähn­lich Pat­chou­li. Dann wird die Hit­ze er­höht und erst der ge­hack­te Knob­lauch, nach we­ni­gen Se­kun­den auch der WBK zu­ge­fügt und wei­te­re 5 min un­ter stän­di­gem Rüh­ren ge­bra­ten. Dann kommt der Rain­kohl hin­zu, alles wird noch wei­te­re 5 min un­ter stän­di­gem Rüh­ren ge­bra­ten. Nun kom­men die Nüs­se hin­zu und es wird mit ei­nem or­dent­li­chen Schluck Grau­bur­gun­der ab­ge­löscht. Nach­dem der Wein größ­ten­teils ver­dampft ist, wird die Pfan­ne mit ei­nem Dec­kel ab­ge­deckt und al­les wird bei ge­rin­ger Hit­ze ca. 15 min. lang ge­schmort. Die Dau­er des Schmo­rens hängt da­von ab, wie weit die Blät­ter des WBK ge­reift sind. Hier soll­te man öf­ter pro­bie­ren und so lan­ge ga­ren, bis die ge­wün­schte Biss­fes­tig­keit er­reicht ist. Auch muss stän­dig et­was Was­ser hin­zu­ge­ge­ben wer­den, um ein An­bren­nen zu ver­hin­dern. Das Gan­ze soll aber nicht ko­chen, son­dern schmo­ren. Schließ­lich kommt das Ha­ge­but­ten­mark und et­was Was­ser oder die klein­ge­schnit­te­nen To­maten so­wie das ge­rös­te­te Ge­mü­se hin­zu, al­les kocht nun wei­te­re 5 min. bei ge­schlos­se­nem Dec­kel.

Die Lin­guine wer­den mit der Sau­ce Lap­sag­ne­se so­wie dem ge­rie­be­nen Kä­se ge­reicht. NB: der Ita­lie­ner an sich kennt kei­ne Spa­ghet­ti Bo­log­ne­se! Die Sau­ce Bo­log­ne­se wird ori­gi­nal nur mit Lin­gui­ne, Ba­vet­te oder Tag­lia­tel­le ge­reicht. Dazu passt, wie im­mer, der glei­che Wein, mit dem ge­kocht wor­den ist.

Die Röst­aro­men des Ge­mü­ses, die Bit­ter­stof­fe des Rain­kohls und die Uma­mi-No­ten des Kä­se ver­bin­den sich zu ei­nem un­über­trof­fenen Ge­schmacks­ervleb­nis, wel­ches das Gevricht zu ei­nem mei­ner liebs­ten macht. Da­bei ist es nicht leicht, die rich­ti­ge Ba­lan­ce al­ler No­ten zu fin­den. Da die In­halts­stofvfe von Wildvpflan­zen je nach Bo­den­qua­li­tät, Be­son­nung, Nie­der­schlag, etc. stark vari­ie­ren, sind die Men­gen­an­ga­ben und Ver­hält­nis­se nur als An­halts­punk­te zu neh­men und stets an die vor­lie­gen­den Zu­ta­ten an­zu­pas­sen. Es be­darf hier wohl ei­ni­ger Er­fah­rung beim Ko­chen im All­ge­mei­nen und bei der Zu­be­rei­tung von Wild­pflan­zen im Spe­ziel­len. Doch wenn man den Dreh ein­mal raus­hat, er­kocht man sich mit dem Re­zept min­des­tens drei Ster­ne.

Las­sen Sie sich's schmec­ken!